Dampflokomotive WN 11 der Härtsfeldbahn

Hier folgt zunächst die Geschichte der beiden Schwestermaschinen WN 11 und 12. Weiter unten dann kommt der Bericht über die betriebsfähige und denkmalgerechte Aufarbeitung der Lok 11. Bitte scrollen Sie weit hinunter, die jüngsten Nachrichten kommen am Schluss. Zur Bildergalerie über die jüngsten Schritte der Aufarbeitung geht es direkt auch hier. Klicken Sie auf ein Bild, dann startet eine Diashow mit erklärenden Texten.

Bitte beachten Sie auch unseren Spendenaufruf zur Fertigstellung des Kessels! Wir bedanken uns herzlich für jeden Beitrag. 

Geschichte der Esslinger Heißdampf-Kleinbahnloks

Die beiden zweiachsigen Heißdampflokomotiven wurden im Auftrag der Härtsfeldbahn eigens für diese Strecke konstruiert und 1913 ausgeliefert. Gedacht war zunächst nur an den Ersatz der leichten Tramway – Tracteure, die von der Filderbahn stammten und die sich als doch zu leicht und unzuverlässig erwiesen hatten, auf der relativ ebenen Strecke zwischen Dillingen und Neresheim, dann aber an Streckenlokomotiven für die ganze Strecke. Der Konstrukteur, Max Mayer von der Maschinenfabrik Esslingen, hatte dabei anspruchsvolle Anforderungen zu erfüllen: Die Maschinen sollten für einmännige Bedienung geeignet sein, in Radien bis 80 m auf Steigungen bis 2,6 % eine Zuglast von 38 t mit 18 km/h befördern können und natürlich sparsam im Verbrauch und einfach im Unterhalt sein.

Der Konstrukteur setzte dies mit einer vergleichsweise größeren Feuerbüchse und Heizfläche um, sowie dem Einsatz eines Kleinrauchröhrenüberhitzers System Schmidt und einem Oberflächenvorwärmer. So musste weniger Kohle gefeuert und weniger Wasser genommen werden, so dass sich der Lokführer nur auf den Stationen um das Feuer kümmern musste. Das Reibungsgewicht konnte voll ausgeschöpft werden. Die Heißdampftechnik mit einer Einsparung von ca. 20 % an Kohle und 30 % an Wasser war gerade erst wenige Jahre zuvor für Regelspurloks entwickelt worden. Die beiden Härtsfeldbahnmaschinen gehören zu den allerersten Kleinbahnloks, bei denen diese Technik Anwendung fand. Die Leistung der Maschinen übertraf die der Tracteure deutlich und war von Anfang an für die ganze Strecke, auch den Albaufstieg, ausgelegt.

Auch ein anderer Aspekt war bei der Konstruktion wichtig: wenn nur eine Person auf der Lok ist, die ja mal ausfallen könnte, muss für den Zugführer ein Zugang während der Fahrt gewährleistet sein. Deshalb hat man keine Tramway-Kastenlok gebaut, sondern Gänge mit Geländer neben dem Kessel (auch dies eine in Westeuropa ganz selten ausgeführte Bauart) mit Übergangsblechen vorne und hinten angebracht. Der Wassertank wurde zwischen den Rahmen unterhalb des Kessels untergebracht. Der Kohletender hinten war ursprünglich durch eine Tür mit Übergang geteilt; das war aber wohl für die Kohlenentnahme hinderlich und wurde bald geändert. Nach hinten gelangte man fortan nur noch seitlich über die verlängerten Trittbretter. Noch heute haben die Loks die Tür im Führerhaus auf der Heizerseite, durch die man nach vorne gelangen konnte.

Damit sind diese beiden Loks als damals sehr moderne und fortschrittliche Konstruktion eine eisenbahntechnische und –geschichtliche Rarität. Sie sollten als Prototyp der Kleinbahnlokomotive, als „Neuer Esslinger Kleinbahntyp“ gelten, aber wegen des bald folgenden ersten Weltkriegs kam es nicht zur Ausschöpfung des Startvorteils. So sind es unersetzliche Einzelstücke geblieben.

Werksfoto der Maschinenfabrik Esslingen von 1913 (Foto: Archiv HMB)

Die Leistung der kleinen Loks überzeugte vollkommen. Auch auf dem steilen Albaufstieg konnten sie erstaunliche Zuglasten fördern. So waren Sie in den folgenden fünf Jahrzehnten überall auf der Härtsfeldbahn eingesetzt, trugen zusammen mit den stärkeren, aber aufwändiger zu unterhaltenden Malletloks die Hauptlast des Verkehrs und legten bis 1956 über vier Millionen km zurück. Das entspricht etwa 35 Fahrten pro Woche über die ganze Strecke. Die originalen Betriebsbücher sind nicht erhalten, aber die von der Württembergischen Nebenbahnen GmbH im Jahre 1950 angelegten neuen Betriebsbücher befinden sich im Archiv der Härtsfeld-Museumsbahn.

Lok 11 mit einem gemischten Zug im Endbahnhof Dillingen an der Donau in den 1930er Jahren (Foto: Archiv HMB)

Ab dem Jahr 1956 kamen dann die neuen Triebwagen zum Einsatz, auch dies eine damals sehr fortschrittliche und frühzeitige Maßnahme, die der Bahn das Überleben und Fortbestehen noch einige Jahre gesichert hat. Die beiden Heißdampfloks standen von nun an in Reserve. Die Triebwagen hatten auch ihre Mucken, so dass z.B. Lok 12 1961 für drei Wochen im Einsatz stand. Auch bei den Elchinger Flugtagen wurden die Maschinen zur Verstärkung benötigt. Nach mehreren Einsätzen für Sonderzüge wurden die Loks aber 1963 endgültig abgestellt. Endgültig? Nein! Totgesagte leben bekanntlich länger. Am 1. Mai 1964 wurden durch einen Unfall die beiden Triebwagen T 30 und T 31 betriebsunfähig, so dass die Dampfreserve für einige Wochen reaktiviert werden musste, bis T 37 eintraf.

Die Rettung der beiden Lokomotiven 1965 

Am 23. April 1965 erschien in einem Artikel der Heidenheimer Zeitung die Information, dass die beiden letzten Dampfloks der Härtsfeldbahn nun verschrottet werden sollten. Der Eisenbahn- und Filmfan Adalbert Haas aus Heidenheim las diesen Artikel aufmerksam, schaltete schnell, fuhr sofort los und überschlug auf der Fahrt gedanklich den Schrottpreis. 6.000 DM war er bereit, aufzuwenden. Er kam ins Büro des Bahnhofsvorstehers Volz, er war der erste Interessent, fragte nach dem Preis für eine Lok – 3.000 DM! Und sagte sofort „Ich nehme beide!“ Und so wurden beide Loks durch ein Husarenstück vor dem Schneidbrenner bewahrt. Adalbert Haas wäre im August 2019 100 Jahre alt geworden, anlässlich der Bahnhofshocketse wurde Seiner und seiner für die Eisenbahngeschichte so wichtigen Tat gedacht.

Danach trennen sich die Wege der beiden Loks für einige Jahre. Die Stadt Neresheim kaufte Lok 11 und stellte sie 1966 als Denkmal vor dem Bahnhof auf. Lok 12 verließ zunächst einmal das Härtsfeld: Mehr dazu im Artikel zu Lok 12.

Lok 11 als Denkmallok direkt am ehemaligen Neresheimer Bahnhof vor ihrer ersten optischen Aufarbeitung im Juni 1983 (Foto: Jürgen Ranger)

Das wäre es gewesen, wenn nicht… ja, wenn sich nicht 1984 der Freundeskreis Schättere zusammengefunden hätte, aus dem 1985 der Härtsfeld-Museumsbahn-Verein hervorgegangen ist. Ein Kämpfer der ersten Stunde war Clemens Lüffe. Er setzte sich für den weiteren Erhalt der Lok 11 ein. Die Lok erhielt eine konservierende Überarbeitung und wurde zunächst wieder als Denkmal aufgestellt. Bei der Einweihung der frisch gerichteten Lok traf Lüffe auf Werner Kuhn. Beide kamen ins Gespräch und stellten fest, dass man da noch mehr machen kann. Als Ergebnis wurde der Freundeskreis Schättere ins Leben gerufen.

Eine ausführliche, reich bebilderte Darstellung der Geschichte der beiden Loks findet sich in „Museumslokomotive 12 W.N. - Fünf Jahrzehnte im Dienst der Härtsfeldbahn“ von Jürgen Ranger, Verlag Wolfgang Bleiweis, ISBN 3-928786-99-7 (siehe auch Literaturliste). Diese Informationen wurden daraus und aus der dort zitierten Literatur zusammengestellt. Die Broschüre ist nur noch antiquarisch erhältlich.

Betriebsfähige und denkmalgerechte Aufarbeitung der Lok 11 

1995 wurde Lok 11 anlässlich des 900jährigen Jubiläums des Klosters Neresheim von ihrem Sockel geholt und zur optischen Aufarbeitung auf die Gleisanlagen der Härtsfeld-Museumsbahn gesetzt. Zunächst nur konserviert und rollfähig gemacht, wurde sie der Bevölkerung in der Neresheimer Innenstadt und bei einem großen Festumzug in Elchingen präsentiert. 2002 wurde mit ersten Schritten für eine fachgerechte Zerlegung begonnen. Einige Aggregate (Öler, Luftpumpe, Lichtmaschine) und Fittings (Speiseventile, Kesselarmaturen) wurden abgenommen und aufgearbeitet. Als zwei Stiftungen als Geldgeber gefunden werden konnten, schien die Finanzierung der Aufarbeitung machbar. Da das in Aussicht gestellte Geld jedoch nicht ganz ausreicht, hoffen wir auf Spenden und Helfer.

Lok 11 steht im Unterschied zu Lok 12 unter Denkmalschutz. Bei der Aufarbeitung müssen demnach soweit möglich - das heißt, nur wenn die Sicherheit und Funktionalität gewährleistet werden kann - Originalteile verwendet werden und der Originalzustand wieder hergestellt werden. Das bedeutet für die Aufarbeitung: der Kessel wird wieder genietet, der Kleinrauchröhrenüberhitzer wird wieder hergestellt, und so weiter; aber Brems- und Sicherheitseinrichtungen werden dem neuesten Standard entsprechen. Spannend im Widerstreit zwischen DenkmalsLok chutz und neuzeitlichen Vorschriften ist zum Beispiel die Frage, ob die authentische zweifache Petroleumbeleuchtung genügt oder elektrische Beleuchtung mit Dreilichtsignal und Lichtmaschine angebaut werden müssen, die die Lok nie hatte.

11 vor Beginn der Zerlegung mit zwei Güterwagen auf der Neresheimer Bahnhofshocketse 2008 (Foto: Hannes Ortlieb)

Seit 2010 nun wird aktiv an der Aufarbeitung der Lok gearbeitet, soweit es die knappen personellen Ressourcen ermöglichen. Der Streckenweiterbau nach Bahnhof Katzenstein hat natürlich Priorität und bindet viel Arbeitskraft und Geld, ebenso wie natürlich alle Arbeiten die zum Museumsbetrieb notwendig sind. Aus finanziellen Gründen können die Arbeiten auch nicht an Fremdfirmen vergeben werden. So müssen alles die Aktiven unter Leitung des Projektleiters, Ingo Adam, selbst erledigen, was die Dauer der Aufarbeitung natürlich verlängert. Hinzu kommen auch noch Verzögerungen durch Bürokratie und Meinungsverschiedenheiten bei externen Sachverständigen.

2008 wurde mit der Bestandsaufnahme begonnen. 2010 wurde der Kessel vom Fahrgestell abgehoben. Bei der Zerlegung der Lok stellte sich heraus, dass das hintere Ende des Rahmens komplett erneuert werden und der Wasserkasten neu angefertigt werden muss - beides war in Niettechnik zu erledigen. Führerhaus und Kohlekasten wurden ebenfalls neu aus Stahlblechen zusammengenietet. Der linke Zylinder zeigte starke Abzehrungen bis hin zu Durchrostungen, vermutlich an Lunkern, und wies Risse auf – er wurde im Dampflokwerk Meiningen neu als Schweißkonstruktion hergestellt. Am Schlotkragen wurden die Spuren von Einschüssen gefunden – so ganz unbeschädigt war die Lok beim Luftangriff 1945 wohl doch nicht geblieben, funktionierte aber den Rest ihres Lebens trotz einer mehr als notdürftigen Reparatur. Der Kamin wurde neu angefertigt.

Am Triebwerk waren alle Originalteile außer dem linken Zylinder und den Dampfleitungen brauchbar und wurden aufgearbeitet. Heute (Stand 2020) ist das Fahr- und Triebwerk mit allen Bremsteilen, Steuerung und Stangen sowie Zylindern und Dampfleitungen wieder komplett.

Lok 11 auf der Neresheimer Bahnhofshocketse 2014 mit bereits fertiggestelltem Rahmen und den in Arbeit befindlichen Aufbauten (Foto: Hannes Ortlieb)

Der Kessel war jedoch stärker als befürchtet abgezehrt. Am Stehkessel mussten teilweise neue Bleche eingefügt werden und der Langkessel musste ganz erneuert werden. Die kupferne Feuerbüchse war nicht wiederverwendbar, sie darf in Stahl neu erstellt werden. Boden- und Queranker sind aufgearbeitet, die Rauchkammerrohrwand ist eingenietet, der Langkessel vernietet und am Stehkessel angenietet, der originale Dampfdom wurde wieder aufgenietet, Kesselarmaturen werden nach und nach aufgearbeitet, Manometerleitungen und Fenster sind eingebaut– es wird immer kompletter. Die Rauchkammer liegt in Neresheim schon bereit. Die Rauchkammertür wurde im November 2020 neu hergestellt, die Scharniere sind im Mai 2021 angepasst worden und müssen noch angenietet werden.

Gesamteindruck vom Kessel, 48 Niete vor dem Ziel: Dampfdom aufgeschraubt (Foto: Ingo Adam)

Die Kesselarbeiten finden in Darmstadt-Kranichstein unter der fachkundigen Leitung des Sachverständigen für Eisenbahntechnik, Rudolf Langeloth, statt. Die Aktiven dürfen und können alle Arbeiten selbst ausführen und dabei natürlich auch die alten Techniken lernen. Fürs Nieten und Kesselbleche Schweißen braucht es natürlich zugelassene Fachkräfte. Die Berechnung der Bleche, der Nietabstände und aller anderen Parameter und Erstellung des kompletten Zeichnungssatzes, der nun etwa einen Aktenordner umfasst, war ein eigenes großes Kapitel. Dann macht es aber große Freude, wenn ein Team zusammenarbeitet und beim Aufnieten des Dampfdoms für die letzten 48 Niete einen "Lauf" hat dass es nur so glüht! Stand Ende 2021 ist der Kesselmantel bis auf die letzten Niete am vorderen Queranker im Rohbau fertig. 

Als Nächstes ist nun die Feuerbüchse herzustellen. Weil der Markt keine bezahlbaren Kapazitäten hat, müssen das die Aktiven der HMB selbst machen. Derzeit (November 2021) sind die Blechteile für die Feuerbüchse gekümpelt. Details gibt es immer aktuell im Werkstatt - Telegramm

Ein Blick in die Zukunft: Wenn die Feuerbüchse hergestellt ist, wird sie in den Bodenring eingepasst und in den Stehkessel eingesetzt. Dann kommen die Bodenanker dran, und die Rauchrohre werden eingewalzt oder geschweißt. Danach folgen der Dampfregler, Dampfsammler und der Überhitzer.

Danach wartet alles auf die „Hochzeit“, d.h. dass der Kessel wieder auf das Fahrwerk aufgesetzt werden kann.

Weil die vielen Bilder von den einzelnen Arbeitsschritten diese Seite sprengen würden, finden Sie aktuelle Bilder der Aufarbeitung ab 2015 in der Bildergalerie.

Ältere Berichte aus den Jahren 2008 bis 2014 sind auf der Webseite von Gerald Stempel archiviert: 


Technische Daten

Typ Bh2t
Baujahr 1913
Hersteller Maschinenfabrik Esslingen
Fabriknummer 3710
Bei Härtsfeldbahn 1913 - 1965
Bei Härtsfeld-Museumsbahn seit 1995 / in Aufarbeitung seit 2010
Länge über Puffer 6.180 mm
Höhe 3.600 mm
Breite 2.650 mm
Radstand 2.000 mm
Leermasse 14,5 t
Dienstmasse und Reibungsmasse 20,0 t
Höchstgeschwindigkeit 30 km/h
Treibraddurchmesser 800 mm
Steuerung Heusinger außenliegend
Zylinderanzahl 2
Zylinderdurchmesser  320 mm
Kolbenhub 360 mm
Kesselüberdruck 14 bar
Heizrohre 86 / 2.000 mm Länge
Rostfläche 0,642 m²
Rohrheizfläche 28 m²
Überhitzerfläche 16,7 m²
Wasservorrat 1,53 m²
Brennstoffvorrat 0,5 t Kohle
Bremsbauform Einlösige Druckluftbremse Bauart Knorr
Bremsgewicht 10 t