Offene Wagen mit mehr oder weniger hohen Bordwänden sind ein typisches Eisenbahnfahrzeug und sind bis heute aus der Bahnwelt nicht wegzudenken. So gehörten auch zur Ursprungsausstattung der Härtsfeldbahn eine Reihe solcher Wagen mit höheren Bordwänden als wir sie heute präsentieren können. Von diesen Fahrzeugen ist keines erhalten geblieben, so dass wir nur ähnliche Fahrzeuge der WEG-Nebenbahn Amstetten - Laichingen einsetzen.
Zwei gedeckte und vier offene Wagen mit hohen Bordwänden stehen am 20. April 1973 abgestellt in Neresheim und warten auf ihre Verschrottung. Am zweiten Wagen von rechts ist ein Blechteil erkennbar, welches zum Schottern des Gleises diente und den Schotter zwischen die Schienen leitete. (Foto: Ekkehard Molt, Archiv HMB)
Der offene Wagen 301 gehört wie fünf andere unserer Güterwagen zur Ursprungsausstattung der ebenfalls meterspurigen Nebenbahn Amstetten - Laichingen der WN-Schwestergesellschaft Württembergische Eisenbahn-Gesellschaft (WEG). Nach der Stilllegung dieser Strecke wurden mehrere Fahrzeuge, darunter auch Originalfahrzeuge der Härtsfeldbahn, die nach deren Stilllegung nach Laichingen umgesetzt worden waren, vor der Verschrottung gesichert und nach Neresheim gebracht. Darunter befanden sich Fahrzeuge, die baugleich oder ähnlich früher auf der Härtsfeldbahn eingesetzter Typen waren,
von Ow 301 von Oppingen auf der Laichinger Alb am 8. November 1986. (Foto: Werner Kuhn)
Die Aufarbeitung des Wagens erfolgte bis 1998 hinsichtlich von Bauzugeinsätzen. Seit Oktober 2001 kommt er auch im Dampfzug zum Einsatz. Der Wagen verfügt über abnehmbare Seitenwände und Bodenklappen, so dass bis zur Fertigstellung des Schotterwagens 184 hiermit kleinere Schottermengen verteilt werden konnten. Für den Einsatz im Dampfzug erhielt er Anfang 2002 Fahrradständer an den Wagenenden.
Die beiden Ow 301 und 303 sind sich zwar recht ähnlich, weißen aber doch entscheidende Unterschiede auf: Wagen 301 verfügt über eine Druckluftbremse, wohingegen Wagen 303 nur eine durchgehende Hauptluftleitung besitzt. Die Handbremse von Wagen 301 ist am Rahmen angebracht und kann daher nur als Feststellbremse im Stand verwendet werden, bei Wagen 303 befindet sich diese auf einer Bremserbühne und ist so mit ihrer Spindel auch während der Fahrt bedienbar. Wagen 301 verfügt über stärkere Federn und hat somit eine um 2,5 t höhere Zuladung (10 t gegenüber 7,5 t), was ihn für die Arbeitszugeinsätze prädestiniert hatte.
301 im Handverschub bei Vegetationsarbeiten im Egautal im Frühjahr 2007. Die Feststellbremse befindet sich auf der anderen Wagenseite. Das nach unten zeigende Dreieck an zwei Kanten weist auf die wirkende Druckluftbremse hin. (Foto: Hannes Ortlieb)
Im Jahr 2011 stand er von Juni bis September anlässlich der Aalener Sommeraktion „Aalen City unter Dampf“ in der Mittelbachstraße in der Fußgängerzone von Aalen. Beladen war er damals mit einem Motorblock von SHW Casting Technologies. Danach erfolgte eine Hauptuntersuchung, die sich aufgrund anderer Prioritäten einige Jahre hinzog. Seit 2019 ist er wieder im Einsatz. Heutzutage wird der Wagen neben seinem regulären Einsatz im Dampfzug für Materialtransporte bei Bauarbeiten an der Strecke wie auch als Transportgefäß für Schnittgut bei Vegetationsarbeiten genutzt.
Technische Daten
Typ | Ow |
Baujahr | 1901 |
Hersteller | Süddeutsche Waggonfabrik Kelsterbach |
Stationierungen | 1901 - 1986: Württembergische Eisenbahn-Gesellschaft mbH, Nebenbahn Amstetten - Laichingen
seit 1986: Härtsfeld-Museumsbahn e.V., Neresheim seit 1998: Einsatz als Arbeitszug- und Fahrradtransportwagen |
Bremsbauform | ursprünglich keine, heute einlösige Druckluftbremse Bauart Knorr |
Länge über Puffer | 6.880 mm |
Radstand | 3.300 mm |
Länge des Wagenkastens | 6.000 mm |
Breite des Wagenkastens | 2.510 mm |
Höhe | ursprünglich 1.945 mm, heute 1.470 mm |
Leergewicht | 3,85 t |
Zuladung | ursprünglich 7,50 t, heute 10 t |
Bremsgewicht | 3 t |
Geschichte
Zur Anfangsausstattung der WEG-Nebenbahn Amstetten - Laichingen gehörten zwölf offene Güterwagen mit hohen Bordwänden. Sechs davon mit den Nummern 301 bis 306 waren mit abnehmbaren Drehschemeln für Langholzbeförderung ausgerüstet. Diese Fahrzeuge verfügten über keine Bremsanlage. Die anderen sechs Wagen mit den Nummern 307 bis 312 hatten eine kleine Bremserbühne mit einer Handbremse.
Die Anzahl der Wagen scheint für den anfallenden Güterverkehr zu hoch gewesen zu sein und so baute man 1909 zwei Wagen in die bedeckten Güterwagen 157 und 158 um. 1911 wurden sechs Wagen an die Kleinbahn Bremen - Tarmstedt verkauft. 1917 wurden zwei weitere Wagen abgegeben, so dass von da an nur noch zwei Fahrzeuge im Bestand waren. Diese wurden hauptsächlich für Zwecke des Bahnunterhalts verwendet.
Bei dem Wagen 301 handelt es sich um einen ursprünglich ungebremsten Wagen, der auch für den Langholztransport verwendet werden konnte. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg waren seine ursprünglich einen Meter hohen Bordwände auf 75 cm Höhe gekürzt worden. Im Jahr 1959 wurde der Wagen zum Schotterwagen umgebaut. Er erhielt dabei die heute noch vorhandenen niederen Bordwände, einen Stahlboden mit Klappen und eine Druckluftbremsanlage, die man aus dem abgestellten Personenwagen 2 ausgebaut und angepasst hatte.
In diesem Zustand war er bis zur Stilllegung der Nebenbahn im Einsatz. Selbst beim Abbau der Gleise wurde er noch benötigt. Mit dem Abbauzug kam er noch bis Oppingen. Von dort holten ihn die Härtsfeld-Museumsbahner nach Neresheim.