Dampfbahnromantik? Schwere Zeiten? Zeitzeugenbericht: Manfred Jäger am 24.3.2001

       

Die echten vierachsigen Personenwagen der Härtsfeldbahn waren diejenigen der Härtsfeldbahn, die von der Waggonfabrik Herbrand gebaut worden waren. Sie hatten ein bauchiges Dach, viele Fenster und waren innen im Verhältnis 2/3 zu 1/3 geteilt. Die Plattformen konnten mit Türen aus Blech geschlossen werden. Von den Fenstern waren nicht alle zu öffnen. Wenn man sich gegenüber saß, konnte man immer eines der Fenster an einem Lederriemen herunterlassen. Manchmal, wenn das Fenster nicht richtig fest war, fiel es auch von alleine mit einem Rums nach unten. Die Beleuchtung erfolgt durch Petroleumlampen. Diagonal gegenüberliegend in den Stirnwänden und in der Trennwand befand sich ein Kästchen, in dem die Lampen waren. Wenn es dunkel wurde kam der Schaffner und zündete die Lampen an. Das Licht war nicht besonders hell. Man konnte die Köpfe der Fahrgäste gerade so ausmachen.

Im Zweiten Weltkrieg mussten die Züge verdunkelt fahren. Daher konnte nur die Petroleumlampe in der Zwischenwand angezündet werden. Es gab allerdings noch eine weitere Lichtquelle: die glühenden Zigaretten der Fahrgäste. Bei Fliegerangriffen wurden die Wagen stark beschädigt. Kaum mehr eine Fensterscheibe blieb ganz. Die Fensteröffnungen wurden mit Brettern verschlossen. Die Sitzbänke waren teilweise von Geschossen durchschlagen worden. Mit Stechbeiteln und Feilen hatte man die Holzsplitter entfernt, so dass man auf den Bänken wieder sitzen konnte. Die Lederriemen waren alle verschwunden. Was man damit wohl angefangen hatte? Es war eine schlimme Zeit voller Hunger und Armut.    

In den Wagen waren Schilder angebracht, die darauf hinwiesen, dass man nicht in den Wagen spucken sollte. Es gab aber viele, die trotzdem auf den Boden spuckten und dies dann mit dem Schuh verrieben.        

Beheizt wurden die Wagen mit einer Dampfheizung. Der kegelförmige Behälter unter dem Wagenboden war der Kondensationstopf. Wurde die Dampfheizung abgeschaltet oder der Wagen abgestellt, so öffnete sich ein Ventil, so dass das kondensierte Wasser in den Topf abfliessen konnte. Geheizt wurde nur, wenn genügend Dampf zur Verfügung stand. Bergauf wurde die Dampfheizung abgeschaltet. Die Arbeiter, die in Unterkochen zustiegen, um nach Waldhausen oder Ebnat zu fahren, schimpften oft, da der Zug regelmäßig bis zu einer halben Stunde zu spät kam, sie dann in den Wagen stehen mussten und es darin auch noch kalt war. Aus Neresheim kamen nur wenige. Die aus Waldhausen mussten noch eine halbe Stunde durch den Wald laufen, bevor sie zuhause waren. Man hörte es richtig, wenn der Dampf kam. Die Rohre haben sich wohl durch die Wärme gedehnt und dadurch entstanden Spannungen. Die Wagen wurden dann auch sehr schnell gemütlich warm.        

Hin und wieder kam es vor, dass ein Bauernknecht sein Geld vertrunken hatte und die Fahrkarte nicht bezahlen konnte. Eines Tages in der Vorweihnachtszeit stieg in Lauingen ein angetrunkener Bauernknecht aus Reistingen zu. Die Unterhaltung des schon einschlägig bekannten Knechts mit dem Schaffner Felix Holster war nicht gerade freundlich: "Fahrkart!" soll der Schaffner gesagt haben und der Bauernknecht: "I hao koi Geld et. I zahl et." Der Schaffner nochmals: "Fahrkart!". Der Bauernknecht: "Loss me en Rua. I schlag dr uf'd Gosch!". Was tut der schlaue Härtsfelder in so einem Fall? Nun, eine Schlägerei wollte der Schaffner nicht und zog sich erst einmal zurück. Auf dem nächsten Bahnhof gab es ein kurzes Gespräch mit dem Lokführer: "Heizen" und "Reistingen leise durchfahren" waren die Schlüssel zu  dem kleinen Streich, den die Härtsfeldbahner vor hatten. Zuerst einmal heizte der Lokführer den Zug kräftig ein, was die beabsichtigte Auswirkung brachte: Der angetrunkene Knecht schlummerte friedlich ein. Dann kurz vor Reistingen drosselte der Zug seine Geschwindigkeit und fuhr langsam ohne Pfeifen und Läuten - einfach weiter. Es dauerte bis zum Kalkwerk bei Neresheim als der Knecht wieder zu sich kam, bemerkte, wo er war und fürchterlich zu toben anfing. In Neresheim angekommen, vollführte er ein Riesentheater, bevor er sich – den Ranken zur Dischinger Straße hinunterfallend – auf den Heimweg machte.