Der T32, gekuppelt über den Gw 118, schiebt den mit Koks beladenen Wagen die steile Rampe hinauf. (Foto: Dr. Kurt Seidel / Archiv HMB)
„Ein ganz besonderes Erlebnis, neben vielen anderen, war die Fahrt mit dem T 32 („Korea*“) von Neresheim zum Kalkwerk (Härtsfeldwerke Neresheim), um dort zu rangieren, hauptsächlich jedoch, um einen Normalspur-Kokswagen (Gattung Omm) auf Rollböcken am Kohlenlager des Kesselhauses zur Entladung bereitzustellen.
Zum Zeitpunkt meiner Mitfahrten wurde der T 32 nur von einem ganz kleinen Kreis von Triebwagenführern der Härtsfeldbahn gefahren. Vermutlich war es das mechanische Getriebe des Triebwagens mit seinem Ensemble aus Kupplungs-, Schalt- und Gashebel (zusätzlich zum Führerbremsventil) auf dem Führerstand, welches die älteren Lokführer, die zumeist auch als Dampflokomotivführer im Einsatz waren, davon abhielt, den Wismarer Triebwagen zu fahren.
Mein Lieblingstriebwagenführer, der mir auch in sehr frühen Jahren das Fahren mit den Fuchs-Triebwagen beibrachte, war Xaver G. Er, Albert H. jun. und später Martin E., genannt Märte, fuhren den Korea. Es waren wahre Könner am Führerstand des T 32. Die durchgewetzte Ärmelunterseite links an der Uniformjacke zeugte vom ständigen Drücken der Sifa auf dem Kupplungshebel. Ganz rechts war der Gashebel und in der Mitte der Kurbelhebel für den zu wählenden Gang.
Der Kokswagen für das Kalkwerk wurde ausschließlich im Übergangsbahnhof Aalen Gbf von der Deutschen Bundesbahn übernommen, da die Kohle aus dem Norden kam (Ruhrgebiet). Von Aalen Gbf bis Neresheim wurde der Omm mit dem Güterzug 304 befördert. Von Neresheim bis zur Betriebsstelle Härtsfeldwerke beförderte der Zug 304, der von Neresheim bis Dillingen (Donau) nunmehr als Güterzug mit Personenbeförderung (GmP) unterwegs war, den Kohlewagen weiter.
Um die Fahrplanzeiten einzuhalten und gleichzeitig auch die fahrplanmäßige Kreuzung in Katzenstein mit dem von Dillingen (Donau) nach Neresheim verkehrenden GmP 355 planmäßig durchführen zu können, stellte der GmP 304 den Güterwagen nicht an der Verwendungsstelle im Gleis 4 des Kalkwerkes ab, sondern über die Weiche 2 auf Gleis 2 der Betriebsstelle und zwar an der Rollbockdeichsel des schmalspurigen Güterwagens Gw 118, der immer in Gleis 2 abgestellt war. Der Gw 118 war als Bremswagen im Einsatz.
Nach der Zuglaufmeldung des Zugführers von GmP 304 aus der Fernsprechbude der Betriebsstelle Härtsfeldwerke beim Zugleiter in Neresheim, setzte sich der T 32 dort als Leertriebwagen in Bewegung. Er war kurz nach 9 Uhr von Aalen Pbf als P 6 angekommen. Der Triebwagenführer war meistens im Einmanndienst, d. h. ohne Zugbegleiter, unterwegs.
Im Kalkwerk angekommen, fuhren wir über die Einfahrtweiche 1 direkt in das Gleis 2 auf den Gw 118 und den per Rollbockdeichsel angehängten Kokswagen auf Rollböcken. Die Weiche 1 musste wieder auf den geraden Strang zurückgestellt werden, da ja der aus Dillingen (Donau) kommende GmP 355 die Härtsfeldwerke während des Rangiervorgangs des T 32 passierte.
Mit den beiden Güterwagen (Gw 118 am T 32, Omm an der Rollbockdeichsel des Gw 118) im Schlepp, fuhren wir von Gleis 2 auf den Gleisstumpf (Gleis 2b) vor dem Härtsfeldwerke-Verwaltungsgebäude mit Wohnhaus. Von dort aus schob der T 32 mit seinen 170 PS die beiden Wagen auf dem zum Privatgleisanschluss des Kalkwerkes gehörenden Gleis 4 steil bergan (34,5 Promille Steigung) bis zum Kohlenlager am Abschluss dieses Gleises. Wie weiter oben schon erwähnt, waren die Triebwagenführer des T 32 „Meister ihres Fachs“. Bis auf wenige Ausnahmen klappte die Bedienung fast immer beim ersten Mal. Nur in absoluten Ausnahmefällen (nasse, schmierige Schienen) musste ein zweites Mal Anlauf genommen werden. Das Sandfallrohr durfte nicht verstopft sein und genügend Sand im Sandkasten musste ebenfalls verfügbar sein.
Am Kohlenlager angekommen, wurde zuerst beim Gw 118 die Bremse im Bremserhäuschen per Handbremskurbel angezogen, dann der T 32 abgehängt und wenige Meter vorgefahren. Dort war nämlich die Betriebskantine des Kalkwerkes. Auch am T 32 wurde die Handbremse mit dem Handrad arretiert.
Wir hatten uns wahrlich eine Belohnung verdient. Es gab ein Vesper, bestehend aus warmen Saitenwürstchen, jeweils mit einer Scheibe Brot, dazu für mich eine Bluna, spendiert von Xaver G.
Nach dem Kantinenbesuch ging es wieder als Leertriebwagen zurück nach Neresheim, nachdem zwischenzeitlich dort der Zug 355 aus Dillingen (Donau) auch angekommen war.
Dietmar Schweizer“
Der Autor dieses Berichtes, Dietmar Schweizer, wurde 1953 geboren und wohnte vom 01.08.1958 bis 31.10.1963 im Neresheimer Bahnhof. Sein Vater war in dieser Zeit Bahnverwalter (Betriebsleiter) der Härtsfeldbahn.
*: Der Grund für den Spitznamen des Triebwagens ist nicht überliefert. Möglicherweise hat er mit seinem etwas abgerockten Zustand und dem damals beendeten Koreakrieg zu tun.