Dass die heutige Museumsbahnstrecke von Neresheim aus durch das beschauliche Egautal führt, ist dem damaligen Neresheimer Bürgermeister Hegele zu verdanken, der dem jungen Härtsfeld-Museumsbahn e.V. das frühere Neresheimer Bahnhofsgelände als neues Domizil anbot, nachdem sich die ursprünglichen Pläne, den spektakulären Albaufstieg von Aalen nach Ebnat zu reaktivieren, zerschlugen. Neresheim als dereinst wichtigste Unterwegsstation bildete nach der Verlängerung der Strecke von Ballmertshofen nach Dillingen an der Donau den Betriebsmittelpunkt und wurde daher als Centralstation deklariert, was wir heute noch gerne aufgreifen. Mit einer Lage in km 28 von insgesamt 55,5 km Gesamtlänge der einstigen Härtsfeldbahn trifft der Begriff Centralstation auch fast genau den Streckenmittelpunkt. Neresheim war, abgesehen von Aalen und Dillingen natürlich, größter Ort entlang der Strecke und Zentrum des Härtsfelds. Das barocke Kloster mit der imposanten Klosterkirche von Architekt Balthasar Neumann war zudem immer auch ein wichtiger Fahrgastbringer für die Schmalspurbahn.
Regionale Einordnung: Otto Kurbjuweit.
Fast alle Gebäude, die dereinst dem Bahnbetrieb dienten, sind heute noch vorhanden, so das Empfangsgebäude, welches heute neben einer Gastwirtschaft das Härtsfeldbahnmuseum im 1. Stock wie auch das Vereinsarchiv beherbergt, zudem den Fahrkartenschalter und Toiletten für unserer Fahrgäste in einem 2008 neu errichteten Anbau. Am anderen Ende des großen Bahnhofsareals, welches einmal komplett mit Gleisen bedeckt war, findet sich der zweiständige Lokschuppen, der heute wieder seinem ursprünglichen Zweck wie auch als Werkstatt dient. Durch die heutige Ausfahrt ins Egautal abgetrennt ist das frühere Werkstattgebäude, welches heute dem Neresheimer Schützenverein gehört. Daneben befindet sich in Holzbauweise in den Hang hinein gebaut ein Lagergebäude, welches wir noch heute für denselben Zweck, aber auch für unsere Gleisbau-Rotte nutzen. Zu Härtsfeldbahnzeiten hatte diese ihr Domizil in einem weiteren hölzerner Schuppen, der sich heutzutage mitten zwischen den Gleisen befindet und mit großen Toren versehen als Dampflokschuppen dient. Dereinst lag er am Rande der Gleise und hatte selbst keinen Gleisanschluss. Dass die Gleisanlagen heute in einem engen Bogen zwischen Hang und diesem Schuppen verlaufen, liegt daran, dass in den 80er Jahren der Wiederaufbau der einstigen Gleisanlagen mitten auf dem damaligen Festplatz nicht möglich war und deshalb dem Hang Platz abgerungen werden musste.
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Der Aufbau neuer Gleisanlagen erfolgte ab 1985 vor allem, um die frisch erworbenen Fahrzeuge adäquat abstellen zu können. Hilfreich war hierbei die zeitgleiche Stilllegung der einstigen Schwesterstrecke Amstetten - Laichingen der Württembergischen Eisenbahngesellschaft, wo neben Fahrzeugen auch Oberbaumaterialien in Form von Weichen, Holzschwellen, Schienen und Kleineisen gewonnen werden konnten. Aus diesem Grund sind auf manchen Schienen noch Walzzeichen von 1899 bis 1901 zu finden.
Der Wiederaufbau der Strecke ins Egautal fand von 1996 bis 2001 statt, gefördert durch das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) des Landes Baden-Württemberg. Dabei entstand eine neue Ausfahrt aus dem Bahnhof zwischen der ehemaligen Werkstatt und dem Lokschuppen. Dort war früher nur ein Abstellgleis gewesen, die historische Ausfahrt lag genau auf der anderen Seite des Lokschuppens und führte in gerader Verlängerung der Trasse auf dem Klosteracker in den Bahnhof. Die neue Trasse führt in einem S-Bogen durch einen neu entstandenen Einschnitt, um dann auf die historische Trasse einzuschwenken. Der Bahndamm über den Klosteracker musste neu aufgeschüttet werden. Wer in Fahrtrichtung links zurück aus dem Zug blickt, kann nochmals das majestästisch auf dem Ulrichsberg thronende Barockkloster mit seiner vom Baumeister Balthasar Neumann stammenden Sakralbau bewundern. Neu mit Halbschranken gesichert wird in einem engen S-Bogen die Landesstraße 2033 gequert, um alsbald die Talsohle des Egautals zu erreichen. In km 1,4 wurde der Haltepunkt Steinmühle errichtet, der früher nur ein inoffizieller Bedarfshalt auf dem Bahnübergang war. Die namensgebende Steinmühle ist schon seit Jahrzehnten verschwunden. Von hier aus lässt sich das Naturschutzgebiet Zwing prima erwandern.
er bekanntesten Motive des Härtsfelds: der Dampfzug und die barocke Klosteranlage auf dem Ulrichsberg. (Foto: Hannes Ortlieb)
Die Bahnstrecke folgt nun für einige hundert Meter dem Verlauf von Straße und Egau, bevor mittels der originalen Brückenkonstruktion von 1900 der kleine Fluss überquert und die Talseite gewechselt wird. Am Ende des Bogens lag dereinst der wichtigste Güterkunde der Härtsfeldbahn, die Härtsfeldwerke Neresheim, die von den Vätern der Härtsfeldbahn mitgegründet wurden. Von den das Tal an dieser Stelle dereinst dominierenden Werksanlagen ist heute fast nichts mehr übrig geblieben. Lediglich das Verwaltungsgebäude dient heute als Wohnhaus und in Richtung der gewaltigen Terrassen ist ein Maschinenhaus stehen geblieben. Im Hang sind zudem noch Reste eines Schrägaufzuges zu sehen. Dass sich hier einst ein großer Bahnhof mit mehreren Gleisen entlang der Gerade zog, fordert viel Vorstellungsvermögen. Den Blick übers Tal hinweg versperrt heute ein 1985 als Ausgleichsmaßnahme zum Bau der Bundesautobahn 7 angelegtes Feuchtbiotop.
Dieseltriebwagen T 33 durchquert den ehemaligen Bahnhof Härtsfeldwerke im tiefgrünen Egautal. (Foto: Hannes Ortlieb)
Immer weiter am Hang entlang wird schließlich in km 2,9 der jahrelange Endbahnhof Sägmühle erreicht. Wie der Name schon verrät, handelte es sich hierbei dereinst nur um eine einfache Holzverladestelle. Die namensgebende Mühle steht heute noch an der Egau und wird über einen eigenen Mühlkanal von den Härtsfeldwerken her versorgt. Daneben führt eine Straße den Berg hinauf zum Hochstatter Hof, heute ein Golfclub mit Einkehrmöglichkeit. Bis hierhin erfolgte am 20. Oktober 2001 und damit fast auf den Tag genau 100 Jahre nach der erstmaligen Eröffnung 1901 die Eröffnung der Museumsbahn.
Nach der Vorbeifahrt an der Sägmühle wird die Kreisgrenze von Ostalbkreis zum Landkreis Heidenheim überquert. Entlang des Waldrandes und von Feldern strebt die Trasse nun der nächsten Ortschaft im Tal, Iggenhausen, entgegen. Der Radweg, der dereinst auf der stillgelegten Trasse verlief, quert auf diesem kurzen Stück insgesamt dreimal den Gleisverlauf und fordert mit seinen Höhenunterschieden den Zweiradfreunden ohne motorischen Hilfsantrieb sicherlich etwas ab. Wäre der Felsen bei Iggenhausen - ein bei dem Kratereinschlag im nicht allzu fernen Nördlingen hier gelandetes Auswurfstück - nicht, könnte die Strecke relativ gerade bis zum Härtsfeldsee geführt werden. So geht es aber in einem engen Bogen zwischen Egau und Felswand zum nächsten Halt in km 4,3.
Nachdem sich Radweg und Bahnstrecke ein letztes Mal hier kreuzen, wechselt letztere mit einem für Härtsfeldbahnverhältnisse sehr großen Bogen wieder die Talseite, wobei die Egau mit einer neugebauten Brückenkonstruktion aus Stahl und im Anschluss noch eine Flutbrücke aus Betonfertigteilen gequert wird. Am Fuße des Straßendamms liegt just die Stelle, an der sich am 1. Mai 1964 das schwerste Zugunglück der Härtsfeldbahn ereignete, als die beiden Fuchs-Triebwagen T 30 und T 31 frontal zusammenprallten, nachdem das Zugpersonal des einen Zuges den Feiertagsfahrplan mit Kreuzung in Katzenstein missachtet hatte. Bei den Arbeiten zum Wiederaufbau konnten noch Teile der beiden Fahrzeuge im Schotterbett gefunden werden.
3 liefert eine Ladung Schienen zur Baustelle am Härtsfeldsee und wechselt mittels eines Damms vor der Kulisse von Iggenhausen die Talseite. (Foto: Hannes Ortlieb)
Kurze Zeit später wird der Seedamm des Härtsfeldsees erreicht. Parallel zu diesem geht es die letzten Meter dem neuen Endbahnhof Katzenstein entgegen. Aus dem Zug heraus lässt sich rechterhand dabei auf die Wasseroberfläche des kurz vor Einstellung der Härtsfeldbahn errichteten künstlichen Sees blicken. Vom anderen Ufer herüber grüßt der Kiosk, der zu einer Stärkung einlädt, auf der linken Seite des Zuges ist der Bergfried der staufischen Burg Katzenstein zu sehen. Nach der Ankunft ist es nun Zeit für das Triebfahrzeug, wieder an die andere Seite des Zuges umzusetzen, um diesen nach einer Viertelstunde Aufenthalt wieder nach Neresheim zurückziehen zu können. Dabei wird auch der kaum wahrnehmbare Katzensteiner Bach überquert, das dahinterliegende Gleis soll dereinst noch der finalen Streckenverlängerung nach Dischingen dienen.
Härtsfeldbahn und Burg Katzenstein, wenige Meter vor der (damals noch) künftigen Endstation. (Foto: Hannes Ortlieb)
Perspektivisch ist der Weiterbau der Strecke um weitere 2,5 km bis zum Bahnhof Dischingen angedacht. Dieser dritte Bauabschnitt würde im Gegensatz zu seinen Vorgängern ohne Kunstbauten auskommen, dafür müsste kurz vor Dischingen nochmals die Landstraße mittels eines technisch gesicherten Bahnübergangs gequert werden. 2005 hat der Verein bereits das dortige Bahnhofsgebäude erworben, welches schon größtenteils saniert ist und jährlich zum bundesweiten Tag des offenen Denkmals am zweiten Septembersonntag besichtigt werden kann. Mehr zum Bahnhof Dischingen hier.